Nach zuletzt schwankenden Auftritten auf dem diplomatischen Parkett übergab Boris Jelzin Ende 1999 das russische Präsidentenamt an seinen Stellvertreter, den bis dato weitgehend unbekannten Wladimir Putin. Später durch Wahlen bestätigt ist Putin als Russlands Präsident ein Mann mit enormer Machtfülle, den doch kaum jemand im Westen einzuordnen weiß. Drei russische Journalisten holten sich Informationen über Putin aus erster Hand , nämlich in ausführlichen Gesprächen mit ihm selbst. Beginnend mit Eltern und Jugend arbeitete sich die Gesprächsrunde chronologisch durch Putins Leben, über seine Ausbildung und KGB-Zeit hin zu seiner Polit-Laufbahn. Unkommentiert gibt das Buch die Interviews wieder -- ein problematisches Vorgehen, denn da die Autoren keine Analyse des Gesagten anschlossen, boten sie Putin ein Forum für eine recht unkontrollierte Selbstdarstellung. Man erkennt zwar manche Versuche des fragetechnischen Nachhakens, aber nur selten gibt sich der Politiker Blößen. "Sie antworten wie ein Agent, das heißt, sie antworten gar nicht", erkennen denn selbst die Fragesteller bei kritischen Punkten. Putin sagt eben nur das, was Putin sagen will, und das muss sein öffentliches Bild stützen. So passt der anlässlich einer Jugendepisode gegebene Kommentar "Das war zwar hart, aber gerecht" ebenso hervorragend zu seinem Law and Order-Image wie seine Erinnerungen an Geheimdienst und politische Blitzkarriere. Man muss schon zwischen den Zeilen lesen und eigene Rückschlüsse ziehen, dann liefert dieser Interviewband eine Annäherung an die Person Wladimir Putin, die man aber unbedingt durch andere Informationsquellen ergänzen sollte. Denn allein auf sich gestellt schafft das Taschenbuch keine wirkliche Klarheit über den neuen starken Mann Russlands. Es bietet Geschichten von und über Putin, aber es fehlt die schlussendliche Bewertung seiner Aussagen. --Joachim Hohwieler